Im heutigen Interview berichtet Ralf Weineck von art.space über den Aufbau seiner Selbständigkeit im Bereich der Architekturvisualisierung. Viel Spass mit dem Interview!
Hallo Ralf! Bitte stell Dich zu Beginn unseren Lesern doch einmal kurz vor und erläutere vielleicht kurz wie es zur Gründung von „art.space“ kam.
Ich habe an der ETH in Zürich Architektur studiert und 1996 mein Diplom gemacht. Schon während meiner Studienzeit war ich von den damaligen Möglichkeiten von CAAD fasziniert und so begann ich, mich intensiv mit AutoCAD zu beschäftigen. 1998 bot sich mir die Gelegenheit, meine Erfahrungen weiterzugeben als Lehrbeauftragter für Informatik an der HTW (Hochschule für Technik und Wirtschaft) in Chur. Erklärtes Ziel war es, den Studierenden zunächst CAD beizubringen, um sie in einem nächsten Schritt ihre eigenen Projekte visualisieren zu lassen. Wir setzten damals LightScape für das Rendering ein. Als diese Software dann leider nicht mehr weiterentwickelt wurde, erfolgte der Wechsel auf MaxwellRender. Nebenbei wurden im Unterricht auch Photoshop eingesetzt und HTML-Grundlagen vermittelt.
Parallel dazu gründete ich nach dem Studium mit meiner damaligen Partnerin ein Architekturbüro, später kam noch ein weiterer Partner dazu. Wir nahmen an zahlreichen Architekturwettbewerben teil, wovon wir ein paar gewannen. Einige dieser Projekte konnten dann glücklicherweise auch realisiert werden.
2008 fasste ich den Entschluss, mich von der „klassischen“ Arbeit als Architekt zu verabschieden, um mich voll und ganz der Visualisierung zu widmen. Ich verließ unser Büro und gründete „art.space“, wobei „art.“ als Kürzel für „artifical“ steht – der künstliche Raum.
Wie hat sich „art.space“ seit dem entwickelt und wie steht das Unternehmen heute da?
Renderte ich meinen ersten Auftrag noch auf einem Laptop unter dem geöffnetem Fenster, damit er nicht überhitzt, benutze ich heute eine eigene kleine Renderfarm, die ich selbst zusammengebaut habe, da mich Hardware eben auch schon immer interessiert hat. Ist die Zeit knapp, nehme ich für finale Renderings schon mal die Dienste einer externen Renderfarm in Anspruch. Das ist mittlerweile recht komfortabel, wobei jedoch Zusatzkosten entstehen.
Aktuell habe ich keine Mitarbeiter. Ich bin jedoch daran interessiert mein Netzwerk ständig zu erweitern.
Gab es einen besonders wichtigen Auftrag bezogen auf Deine Firmenentwicklung, Reputation, Auftragsvolumen oder ähnliches?
Eines Tages wurden mir per E-Mail Pläne einer sehr großen Villa gesendet, mit der Bitte, eine Offerte für Visualisierungen zu erstellen. Als ich dann nachfragte, welche der Zimmer den visualisiert werden sollen, hieß es zunächst: „Alle“. Auch wenn dann doch nicht alle der ca. 20 Räume dargestellt werden mussten, hielt mich dieser Auftrag einige Wochen auf Trab, zumal sich das Projekt in dieser Zeit ständig weiterentwickelte.
Bei einem anderen Auftrag ging es darum, Visualisierungen für eine Verkaufsbroschüre zu erstellen. Für die Wohnungen einer größeren Überbauung inmitten eines geschützten Parks sollten Käufer gefunden werden. Gleich zu Beginn der ersten Besprechung mit den Architekten, den Landschaftsarchitekten, der Bauherrschaft, den Grafikern und dem Immobilienvermarkter wurden mir bereits fix-fertige, auf Hochglanzpapier ausgedruckte Visualisierungen des Projektes gezeigt. Ich wollte gerade gehen, da ich nicht wusste, was ich dort eigentlich verloren hatte, als man mir sagte, dass sie eben nicht diese Art Bilder wollten und auf der Suche nach einer für das Projekt adäquaten Bildsprache waren. Von da an wurde die Sache richtig interessant…
Welche Dienstleistungen umfasst Dein Angebot insgesamt?
Als Architekt biete ich primär Architektur-Visualisierungen an, manchmal werde ich aber auch für Fotoretusche Arbeiten angefragt. Spannend war die Aufgabe, ein Teleskop in 3D nachzubauen und das dazugehörige Observatorium zu visualisieren. Den Bereich Animation habe ich bisher eher stiefmütterlich bzw. experimentell behandelt, indem ich etwa Lego-Modelle nachgebaut und eines davon anschließend animiert habe.
Bietest Du aktuell auch klassische Architekturleistungen an?
Es kommt vor, dass ich im Vorfeld einer Visualisierung zu Projektbesprechungen eingeladen werde, um über das Projekt zu diskutieren, was großartig ist, da man dadurch in den Entwurfsprozess mit einbezogen wird.
Hin und wieder werden von älteren Gebäuden CAD-Pläne benötigt. Etwa dann, wenn ein Umbau bevorsteht. Meistens erledige ich im Vorfeld die Maßaufnahme per Laser-Distanzmessgerät.
Würde jemand mit einer konkreten Bauaufgabe an mich herantreten, könnte ich auf verschiedene, befreundete Architekturbüros zurückgreifen, je nach Größe und Komplexität der Aufgabe.
Welche Software setzt Du für welche Aufgaben in der Architekturvisualisierung ein?
Vor ein paar Jahren habe ich mich für SketchUp entschieden. Es ist sehr übersichtlich und das Modeling beruht auf einem einfachen Prinzip: Schneiden sich 3 Linien, entsteht eine Fläche. Ein weiterer Vorteil ist, dass es über Plug-Ins fast beliebig „aufgebohrt“ werden kann. Gerendert wird im Netzwerk mit MaxwellRender, dessen Lichtberechnung mich sehr überzeugt, auch wenn die Hardware-Anforderungen hoch sind. Das Finish erfolgt dann in Photoshop. Für die CAD-Planaufbereitung verwende ich AutoCAD in einer Light Version.
Hast Du auch Erfahrung mit anderen Softwareprogrammen gemacht?
Über all die Jahre habe ich ganz unterschiedliche Programme verwendet, von denen einige nicht mehr auf dem Markt sind. Meine letzten Gehversuche in der Animation habe ich mit Cinema4D gemacht. Dessen Programmiersprache XPresso macht vieles möglich, aber es braucht schon eine gewisse Zeit, sich in die Materie einzuarbeiten.
Versuchst Du eher möglichst viel direkt aus der 3D Umgebung mit zu rendern oder liegt der Schwerpunkt auf dem Post Processing?
Straßen und Kuben der umliegenden Gebäude werden immer nachgebaut, da diese bei den späteren Fotomontagearbeiten als Zielhilfe dienen. Wenn immer möglich, mache ich Fotos vom Ort selbst. Auf diese Weise kann ich verschiedene Elemente der Umgebung „einfangen“, um sie später bei Bedarf ins Bild einbauen zu können.
Ich hatte neulich einen Auftraggeber, der von der Idee fast schon besessen war, dass ein Bild – insbesondere die Umgebung – zwingend in Photoshop bearbeitet werden muss. Das mag zwar für die Schlussphase seine Berechtigung haben, wird aber dann zu aufwändig, wenn ständig sowohl Blickwinkel als auch das Projekt selbst geändert werden.
Hast Du für die Auftragsbearbeitung interne Prozesse zur Standardisierung definiert oder bearbeitest Du jeden Auftrag individuell? Gibt es Ansätze mit denen Du versuchst deinen Workflow effektiver zu gestalten?
Auf meiner Website habe ich für jedes Kundensegment den jeweiligen Auftragsablauf beschrieben. Oftmals werden jedoch offene Fragen oder die Vorgehensweise erst über ein Gespräch geklärt bzw. erläutert.
Man versucht zu Beginn so viel wie möglich vom Kunden zu erfahren. Wofür ist das Bild gedacht (Broschüre, Baureklametafel, Internet, etc.)? Wer soll damit angesprochen werden (Privatpersonen, Investoren, öffentliche Hand, etc.)? Wie „realistisch“ soll die Darstellung sein (auch grafische Darstellungen sprechen an)?
Je besser und vollständiger die Unterlagen, desto weniger häufig muss etwas nachgefragt werden, weshalb ich darauf achte, bereits vor Beginn der eigentlichen Arbeit gut dokumentiert zu sein. Fotos helfen, den Ort im Vorfeld kennenzulernen. Hat der Kunde bereits ein 3D-Modell, wird zunächst ein möglicher Datenaustausch untersucht. Nicht immer ist die Übernahme eines 3D-Modells sinnvoll. Es sollte möglichst „sauber“ sein, also nur wenige Fehler enthalten und eine für meine Zwecke brauchbare Struktur aufweisen. Wer keine Überraschungen erleben will, sollte das Modell selbst neu aufbauen. Die dadurch verschlungene Zeit wird meist mehr als wettgemacht. Hat man alles beisammen, lässt sich der Aufwand besser abschätzen, was zu einer verlässlichen Offerte führt.
Der Kunde wird am Entstehungsprozess beteiligt. Steht das 3D-Modell, sende ich ihm verschiedene Bilder (schattierter Modus) oder auch mal ein 3D-pdf. So lässt sich das 3D-Modell überprüfen und mögliche Kamerastandpunkte diskutieren. Danach experimentiere ich mit dem Licht und setze die ersten Materialien ein. Es folgen erste Testrenderings. Aufgrund des Feedbacks des Kunden wird nach der richtigen Stimmung gesucht und das Bild ständig verfeinert. Staffage Objekte werden entweder bereits als 3D-Elemente eingesetzt oder dann in Photoshop ins Bild hineingearbeitet.
Im Laufe der Jahre habe ich mir verschiedene Bibliotheken für Objekte und Materialien (Texturen) angelegt, die ständig erweitert werden.
In etlichen Architekturbüros werden Architekturvisualisierungen „inhouse“ abgearbeitet. Was denkst Du, ab wann lohnt sich die Zusammenarbeit mit einem externen spezialisierten Dienstleister wie Euch?
Wenn die für die Visualisierungen zuständige Person zu selten beansprucht wird, fehlt ihr die nötige Routine, um diese Aufgabe effizient zu erfüllen. In diesem Fall macht es vermutlich mehr Sinn, auf einen externen Dienstleister zurückzugreifen, um sich in der dadurch gewonnenen Zeit mehr auf die eigene Kernkompetenz konzentrieren zu können (nämlich einen Bau zu planen und zu realisieren).
Was hält aus deiner Sicht Architekturbüros davon ab Visualisierungen auszulagern?
Es gibt Architekturbüros, die während des gesamten Entwurfs- bzw. Planungsprozesses Visualisierungen einsetzen. Da ist es umständlich, jede Projektänderung einer Drittperson zu vermitteln. Man möchte, dass der Visualisierer „näher“ beim Projekt ist. Und natürlich entstehen dabei weniger Kosten.
Welches Budget sollte ein Architekturbüro für eine durchschnittliche Architekturvisualisierung bei einem Wettbewerb (z.B. Museumsentwurf mit 3 Außenperspektiven und 2 Innenperspektive)einplanen?
Da an jedes Projekt ganz unterschiedliche Anforderungen gestellt werden, sowohl im Bereich Detaillierung als auch die Anzahl Bilder betreffend, kann ich hier keine aussagekräftige Zahl nennen.
Bietest Du deine Dienstleistungen auch über das Internet an oder bist Du eher im lokalen Umfeld aktiv?
Meine bisherigen Kunden stammen meist aus dem deutschsprachigen Teil der Schweiz, was vermutlich damit zu tun hat, dass Architekten oftmals zunächst einen Visualisierer aus der Umgebung suchen. Natürlich würde ich mich auch über Kundschaft außerhalb der Schweiz sehr freuen.
Wie sieht für Diche der perfekte Kunde aus? Welche Vorkenntnisse und Informationen sollten für eine reibungslose Abwicklung vorhanden sein?
Wichtig scheint mir, dass der Kunde eine klare Vorstellung davon hat, welchem Zweck das Bild dienen soll. Es ist zudem hilfreich, wenn er die Arbeitsabläufe kennt. Dadurch wird ihm viel eher bewusst, in welchem Stadium Projektänderungen ohne großen Mehraufwand einfach umgesetzt werden können und wo nicht.
Welche zukünftigen Trends und Entwicklungen siehst Du, die die Szene beeinflussen werden?
Die ständige Weiterentwicklung sowohl im Hardware- als auch im Softwarebereich hat dazu geführt, dass heute teilweise Bilder entstehen, die sich von Fotografien kaum oder nicht mehr unterscheiden lassen. „Alles ist (virtuell) möglich“ wird uns im Kino und in der Werbung täglich vor Augen geführt. Es lässt aber auch immer weniger Spielraum für die eigene Phantasie.
Vielleicht lässt sich dadurch erklären, dass es heutzutage Architekturwettbewerbe gibt, bei denen Visualisierungen explizit nicht erlaubt sind. Jedes Jurymitglied kann (und muss) sich so ihr eigenes Bild machen. In eine ähnliche Richtung geht für mich die Tendenz, bei Wettbewerben zunehmend auf Stimmungen eines Bildes zu setzen anstelle von Realismus. Also wieder mehr Abstraktion.
Eine völlig gegenläufige Entwicklung sehe ich darin, dass z.B. von Investoren immer öfter verlangt wird, ein Projekt möglichst realistisch und detailgetreu zu sehen, bevor es gebaut wird. Man kann dann in Echtzeit durch das virtuelle Gebäude spazieren, gemeinsam über das Internet und das erst noch in 3D. Die Frage ist dabei immer, wie viel Aufwand man betreiben möchte.
Um sich gegenüber der Konkurrenz einen Kostenvorteil zu verschaffen, werden immer wieder gewisse Aufgaben ins lohnmäßig günstigere Ausland verlagert, Modeling-Aufgaben etwa. Das Finish übernimmt man dann meist selbst. Bei häufigen Projektänderungen ist diese Arbeitsweise aber eher zu träge, da kein direkter Informationsfluss stattfindet. Ich habe deshalb bisher davon abgesehen.
Was würdest Du jungen Talenten im Bereich der Architekturvisualisierung mit auf dem Weg geben wollen?
Sich niemals entmutigen zu lassen, wenn man ein tolles Bild sieht und der Verfasser kühn behauptet, dass er es locker in einem halben Tag hingekriegt hat. Visualisieren bedeutet immer auch Interpretieren, was unweigerlich dazu führt, dass man mit der Zeit seine eigene Bildsprache entwickelt. Man sollte der Versuchung widerstehen, eine andere Bildsprache zu kopieren. Zu beobachten, was andere machen, kann aber durchaus inspirierend für die eigene Arbeit sein.
Wagt man den Weg in die Selbständigkeit, sollte man über ein mögliches zweites Standbein nachdenken, um Lücken in der Auftragslage überbrücken zu können. Dadurch entstehen vielleicht neue, interessante Kontakte. Es sei denn, man kann sich vor Arbeit kaum retten…
Vielen Dank für das ausführliche Interview!
Sebastiano D'Agata says
Da ich mein Visualisierungbüro erst letztes Jahr im Februar gründet habe find ich diesen artikel sehr interessant…
Vielen dank.